Historik
Hofmusiker wurden pensioniert
Nachdem im Jahre 1803 das Stift und der fürstliche Hof der Säkularisation zum Opfer gefallen, wurden die Hofmusiker pensioniert. Doch wirkten Sie insbesondere am Stiftskirchenchor weiter, sowohl als Sänger als auch als Musiker. 1809 zählte der Stiftskirchenchor acht Musiker bzw. Sänger. Eine „Diskantistin“ und zwei Sängerknaben.
Allmählich starben jedoch die alten, wohlgeschulten Musiker immer mehr aus. Es machte sich daher das Bedürfnis einer Erneuerung des gesamten Musikwesens bemerkbar. In Anbetracht dessen „wagte es“ der bürgerliche Fragner und Musiker Ignaz Walch, am 27. Januar 1825, an das königliche Landgericht die Bitte zu stellen, ihm „die Thurnergerechtsame“ zu verleihen, das heißt die Genehmigung zur Gründung und Leitung einer ordentlichen Musikkapelle zu erteilen. Er knüpfte daran die Versicherung, dass er alles tun werde, allen billigen Forderungen so viel wie möglich zu entsprechen.
Verfall der Musik schmerzlich empfunden
Das Landgericht ersuchte daraufhin die Gemeindeverwaltung, sich hierüber zu äußern. Die Gemeindeverwaltung nahm unter Beiziehung des Herrn Decan das „rubrizierte Gesuch“ in Beratung und war einmütig der Auffassung: „Es ist leider nur zu wahre Tatsache, dass die hierortige Musik immer mehr ihrer Auflösung entgegengeht. Ebenso wahr ist, dass nicht nur das gebildete Publikum, sondern sogar das Volk diesen Verfall schmerzlich empfindet und bei jeder Gelegenheit den Wunsch äußert, dass doch Vorsorge zur Abwendung dieses Zustandes getroffen werden möchte. Das Volk, bei der immer bestandenen ehemaligen Hofmusik an eine gute Kirchenmusik gewöhnt, hat Geschmack an selber gewonnen und ist ihr zum Bedürfnis geworden und hält den feiertäglichen Gottesdienst, ohne Musik nicht für würdig genug gehalten.“
Weiters erachtete die Gemeindeverwaltung eine neue „Musik-Anstalt“ mit Rücksicht darauf für notwendig, dass für niemanden Gelegenheit bestünde, Musikunterricht zu nehmen; ferner müssten seit Jahren zu Festlichkeiten, Bällen und dergleichen auswärtige Musiker, ganz besonders, wenn die Reichenhaller selbst beschäftigt, ausländische von Salzburg und Hallein unter schweren Lasten herangezogen werden; in Wahrheit trage die Musik auch zur Veredelung der Sitten und Lebensarten bei.
Thurners-Conzession für Ignaz Walch
Darauf verlieh das Landgericht, nach langem, umständlichem Schriftwechsel, am 30. Juni 1825, dem Ignaz Walch eine „personelle Thurners-Conzession mit dem Anhange: 1. Hat derselbe alle im Landgerichtsbezirk statthabenden Tänze, Hochzeiten und was immer für einen Namen habende Belustigungen, zu denen Musik erforderlich ist, zu versehen. 2. Hat er die brauchbaren Musiker des Landgerichts-Bezirks hierbei zu verwenden. 3. Hat er beständig zwei geprüfte Thurner-Gesellen zu halten, darf aber hierzu keinen von den hier befindlichen älteren Musikern anstellen (diese dürfe er nur zur Komplettierung der Musikkapelle heranziehen). 4. Hat er die Verbindlichkeit, mit seinen zwei Gesellen und, wenn er einen Lehrling hat, auch mit diesem, bei allen musikalischen kirchlichen Verrichtungen, sowie auch bei der Landwehrmusik, unentgeltlich Dienste zu leisten. 5. Erhält er zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit und leichteren Bestreitung der Sustentationskosten für die zwei Gesellen von der hiesigen Gemeindeverwaltung jährlich einhundert achtzig Gulden“. Gleichzeitig erließ das Landgericht ein Verbot, das fremden Musikern das Aufspielen bei Hochzeiten und Jahrtagen untersagte. Die von Ignaz Walch gegründete Musikkapelle führte den üblichen Namen „Thurnermusik“.
Jahresbesoldung gestrichen
Dem jungen Thurnermeister blieben indes betrübliche Erfahrungen nicht erspart. 1827 strich man seine Jahresbesoldung, zufolge anderweitiger Verwendung der hierzu hergenommenen Stiftungsgelder. Dennoch kam er seinen eingegangenen Verpflichtungen getreulich und selbstlos nach. Auf Grund einer Eingabe vom Jahre 1830, in der er unter anderem bemerkte: „Es sei in ganz Bayern wohl kein einziger Thurner, der nicht wenigstens ein Aversal für seine Bemühungen bei Kirchen- und Gemeindefeierlichkeiten genieße“, wurde ihm eine jährliche Remuneration von 40 Gulden zögernd gewährt. Zu seinem Nachteil hatte man verschiedentlich auch wieder Spielleute zugelassen. 1832 meinte Bürgermeister Haller, der selbst Musiker war, Walch „werde zu wenig unterstützt, eher gedrückt; die Spielleute machen das Volk nur liederlich“.
Ignaz Walch, in Unterweinfeld geboren, besaß seit 1825 den untersten Boden der Metzgermilchbehausung, die an Stelle vom heutigen Hause Haimerl stand, wo er eine kleine Fragnerei (Krämerei) betrieb; außerdem fuhrwerkte er. Er starb am 4. September 1838, vierzig Jahre alt, am Nervenschlag. Darauf erhielt der hier bedienstete Thurnergeselle Roman Neumayr die Thurnerkonzession erteilt, der 1842 die Witwe des Ignaz Walch heiratete.
Inzwischen hatte Franz Graßl, Wirt, Schachtelmacher und Musiker in Unterstein, das sogenannte Kapplwirtshaus, das heutige Haus Seiberl, im Markte Berchtesgaden gekauft. Franz Graßl hatte sieben Kinder, mit denen er gemeinsam musizierte. 1841 ermächtigte Roman Neumayr denselben, im Wirtshaus in Unterstein und beim Kapplwirt im Markte aufspielen zu dürfen, unter der Bedingung, dass die Graßl-Geschwister am Kirchenchor unentgeltlich mitwirken und er, Roman Neumayr, von jeder Musik in Unterstein und beim Kapplwirt die Hälfte bezahlt bekommt. 1845 ließ sich Franz Graßl diese Ermächtigung vom Landgerichte anerkennen, gewissermaßen lizensieren.
Gemeinde erhob Einspruch
1848 übernahm Roman Neumayr die Thurnermeisterstelle in seiner Heimatstadt Aichach, zwischen Augsburg und Ingolstadt gelegen und siedelte mit seiner Familie dorthin über. Diese Gelegenheit wahrnehmend, reichte Franz Graßl jun., nun Wirt in Unterstein, ein Gesuch ein „um unbedingte Lizenz zum Aufspielen in allen Wirtshäusern“, wogegen jedoch die Gemeinde und Armenpflegschaft Einspruch erhob. Dadurch, glaubte man, „würde die Instrumentalmusik am Kirchenchor gänzlich vernichtet, weil, wenn dem Gesuche stattgegeben würde, ein Thurnermeister nicht mehr seine Substistenz hätte, da das Aufspielen in den Wirtschaften dessen Haupteinkommen bilde; ein Thurnermeister sei aber umso mehr notwendig, als derselbe nicht allein eine Instrumentalmusik leiten, sondern auch, im Falle ein Instrument abgängig, jedwelches selbst spielen können und außerdem eine Musikschule unterhalten müsse, weder Franz Graßl noch seine Anverwandten hätten eine Prüfung bestanden, noch viel weniger Anspruch auf Virtuosität“. Sodann verlieh das Landgericht die Thurnermeistergerechtsame am 15. Januar 1849 Johann Triebenbacher, der aber drei Monate danach an einem Lungendefekte starb.
Als darauf die Thürmermeisterstelle ausgeschrieben wurde, bewarb sich darum auch Ignaz Walch, ein Sohn des Gründers der Kapelle, welcher damals als Thürmergeselle in Aibling in Diensten stand. Er hatte bei seinem Stiefvater, Roman Neumayr, noch in Berchtesgaden gelernt, war hernach in Traunstein in Stellung und hatte 1848 am Lehrerseminar in Freising seine Prüfung als Musiker abgelegt. Er glaubte „sich schmeicheln zu dürfen, dass man ihn andern gegenüber vorziehen werde“. Dem ward aber nicht so. Am 4. Juni 1849 erteilte das Landgericht Josef Heiß, bürgerlichen Stadtmusiker von München, die Lizenz als Musiker im hiesigen Bezirke, mit Ausnahme der für Graßl reservierten Wirtshäuser, beim Kappl und in Unterstein.
Josef Heiß gab den Posten verbittert wieder auf
Josef Heiß blieb nicht lange; verbittert gab er 1852 den Posten wieder auf. Man hatte ihm vorgeworfen, dass er den Kirchenchor nicht gehörig besetze und keine jungen Musiker heranbilde. Bei seinem Weggang schrieb er: „Genug der Schikanen hab ich während meines Hierseins erduldet, ich wünsche nur, dass meinem Nachfolger nicht die gleichen Dornen in den Weg gestreut werden und wenn er, gleich mir sagen kann: ich weiß mich keiner Pflichtverletzung schuldig“.
Darauf folgte der hiesige Bindersohn und Musiker Sebastian Papst als Thürmermeister, der später das heutige Haus und Geschäft Zimbauer-Pflug inne hatte. Was dessen Tätigkeit anbelangt, dürfte diese den bisherigen Anforderungen entsprochen haben, „dass hier nicht eine pompöse Stadtmusik und doch keine ganz einfache Landmusik, sondern von beiden die Mitte eingehalten werde“. Auf Grund einer Ministerialentschließung wies das Bezirksamt, im Jahre 1863, darauf hin, dass der Chorregent jene Musikproduktionen strenge zu überwachen habe, „welche der Thürmermeister bei Kirchen-feierlichkeiten aufführt und oft aus ganz weltlicher Musik, Opern und Tanzstücken nimmt“. 1873 bat Sebastian Papst um Aufbesserung seiner Bezüge, die wie er ausführte, nicht mehr annähernd entsprechen, umso mehr, als der Thürmermeister nicht mehr imstande ist, Gesellen und Lehrlinge zu halten, sondern auf Dilettanten angewiesen ist, die bezahlt sein wollen. Früher war auch die Besetzung der Chormusik dadurch, daß die Lehrer und Schulpräparanden mitwirkten, leichter. 1887 legte Sebastian Papst, der zuletzt auch Chorregent war, die Thürmermeisterstelle alters wegen nieder.
1889 wurde Martin Baumann Chorregent und Musikmeister
Von Ende 1887 bis 1889 fungierte der Schuhmachermeister Lorenz Ochsenbauer, ein fähiger Mann, als Musikmeister, der sich zugleich um die Chorregentenstelle bemühend, seines empfindlichen Charakters wegen, jedoch nicht endgültig akzeptiert wurde.
1889 wurde Martin Baumann Chorregent und Musikmeister. Von Beruf Schreiner und Weber, war er dessen ungeachtet ein tüchtiger Musiker. Er spielte Orgel, Klavier und Geige und blies Klarinette und Waldhorn, speziell in Klarinetten-Landlern, Walzer und Polka. Auch leitete er große Festkonzerte und gab sehr viel Musikunterricht. Martin Baumann trat 1912 aus Gesundheitsgründen als Musikmeister zurück. Mittlerweile war der Name Thurnermeister und Thurnermusik mehr außer Übung gekommen, auch hatte die Kapelle mehr den Charakter einer freien Vereinigung angenommen.
Musikervereinigung gegründet
Im März 1912 beschlossen die verwaisten Musiker, eine Musikervereinigung mit bindenden Satzungen zu gründen und wählten den Trompeter Anton Hafner von Brochenberg zu ihrem Dirigenten. Als im Jahre 1912 der ehemalige Musikmeister Martin Baumann aus gesundheitlichen Gründen die Musikmeisterstelle niederlegte, war Berchtesgaden zunächst ohne Musik. Grund: Das gesamte Notenmaterial sowie fast alle Instrumente waren dem Zugriff der Musiker entzogen, da alles Eigentum von M. Baumann war. Dazu kam noch, dass durch das Kränkeln des Musikmeisters bis zu dessen Stellungsniederlegung keine Proben mehr stattfanden und deshalb die Leistung der Kapelle erheblich absank. Da war es der 31jährige Anton Hafner vom Brochenberglehen, welcher die Initiative ergriff, das Schicksal der jetzigen Marktkapelle in die Hand nahm und diese 40 Jahre lang lenkte. Er berief sofort in der Werkstätte des Schuhmachermeisters und Musikers Michl Rasp am Fürstensteinweg eine Versammlung ein, um zu beraten, was nun geschehen sollte, um die Musikkapelle zu erhalten. Darauf fassten folgende Musiker den Entschluss, die Kapelle weiter zu führen:
1. Hafner Anton, Dirigent und Vorstand
2. Eder Michl, Kaufmann
3. Gnadl Josef, Bergmann
4. Reichenwallner Josef, Kaufmann i.R.
5. Holz Michl sen., Bauer, Gern
6. Rasp Michl
8. Walch Georg, Stiftsturmmesner
9. Huber Andreas, Privatier
(trat am 10. Oktober 1912 dem Verein bei).
Anton Hafner zum Vorstand und Dirigenten gewählt
Sie gründeten einen Musikverein mit Satzungen und wählten ihren jüngsten Musiker, den Trompeter A. Hafner, einstimmig zum Vorstand und Dirigenten. Ferner wurde über Instrumente, Noten und Notenbeschaffung beraten. Ein Vorschlag des Musikers Andreas Huber, in Mühldorf bei Musikmeister Heindl Noten zu kaufen, wurde zurückgestellt, da Hafner darauf bestand, die Noten von Martin Baumann zu kaufen, weil die Musiker diese Musikalien zum großen Teil schon kannten und die Kapelle somit in der Lage war, sofort ohne besondere Schwierigkeiten konzertieren zu können. Die Verhandlungen, welche nun mit Baumann geführt wurden, hatten Erfolg, so daß in Kürze die Instrumente und Noten um einen Kaufpreis von 1650 Mark erstanden werden konnten. Hafner stellte 250 Mark zur Anzahlung zur Verfügung und die restlichen 1400 Mark wurden in Raten abbezahlt. Nun war es so weit.
Zeitungsannoncen des „Berchtesgadener Anzeigers“ brachten in drei Auflagen folgenden Text:
„Unterfertigter Verein erlaubt sich hiermit, der verehrten P.T. Einwohnerschaft von Berchtesgaden und Umgebung die ergebene Mitteilung zu machen, dass sich die Musikkapelle Baumann zu einem Musikverein zusammengetan hat, unter der Direktion des Herrn Anton Hafner, Besitzer des Brochenberglehens in der Au, um alle vorkommenden Verrichtungen in Streich- und Blechmusik und gemischtem Orchester in unveränderter Weise zur vollsten Zufriedenheit auszuführen. Wir bitten, das Herrn Baumanns Kapelle entgegengebrachte Wohlwollen und Vertrauen auch auf unterfertigten Verein ggf. übertragen zu wollen. Geehrte Aufträge wollen ggf. der Vereinfachung halber bei Herrn Michl Eder, Kaufmann und bei Herrn Michl Rasp, Schuhmachermeister, hinterlegt werden. Geehrten Aufträgen gerne entgegensehend, zeichnet hochachtungsvoll Musik-Verein Berchtesgaden.“
Orchesterdiziplin fiel angenehm auf
Der neugegründete Musikverein unter der Leitung A. Hafners hatte sich vorgenommen, nicht nur seine alte Leistungsfähigkeit wieder zu erreichen, sondern darüber hinaus einen Klangkörper heranzubilden, welcher es mit einer guten Stadtkapelle aufnehmen konnte. Das wurde am 5. Mai 1912 anlässlich eines Sängerfestes in Berchtesgaden unter Beweis gestellt. Die Kegelbahn im Hotel Stiftskeller, das damalige Probenlokal und zugleich Inventarraum, war Zeuge der vielen Proben, welche nun abgehalten wurden, um die Kapelle auf Vordermann zu bringen. Das viele Üben war nicht umsonst, es brachte dem Einzelnen Sicherheit in seinem Können und Vertrauen zum Dirigenten, so dass die Kapelle mit Ruhe ihrem ersten Auftritt entgegensehen konnte.
Für die Festmusik hatte Hafner vorsichtshalber ein leichtes Programm zusammengestellt und mehrere Aushilfsmusiker herangeholt, so dass der Musikverein erstmals mit 17 Mann mit Harmoniemusik antreten konnte.
Der 5. Mai 1912 brachte dann die Überraschung. Wer glaubte, die Überreste der Kapelle Baumann havarieren zu sehen, täuschte sich gewaltig. Schon allein die neueingeführte Orchesterdiziplin fiel angenehm auf. An Stelle der Tische mit Tischpulten gab es nur mehr Stehpulte. Auch war der übliche Maßkrug verschwunden. Vor seiner Kapelle stand der junge Musikmeister und zeigte, dass er was konnte. Er dirigierte nicht nur, sondern blies mit seiner Trompete alle Einsätze und sonstigen schwierigen Stellen. Hafner, ein vom Militär her gut ausgebildeter und talentierter Trompeter mit seiner strammen Haltung, konnte es sich leisten, aufzutreten und seine Musiker sowie das Publikum mit sich zu reißen. Den guten Eindruck, welchen die Kapelle in Bild und Ton erweckte, verfehlte seine Wirkung nicht. Hafner selbst berichtete mir wörtlich: „Als damals dieses erste Konzert im Hotel Vier Jahreszeiten stattfand, kamen schon nach dem ersten Teil die Herren Vorstände der Liedertafel, Dirigent Perzlmeier, Bürgermeister Kerschbaumer und viele anderen Herren zu mir und gratulierten mir und somit der ganzen Kapelle zum Erfolg“.
Das Vertrauen der Kapelle war gesichert, der Aufbau konnte weitergehen. in diesem Jahre fanden 57 Musikproben und 67 Musikverrichtungen statt. Hafner bemühte sich, Lehrlinge auszubilden, um gute Musiker daraus zu machen. Mitten im Aufbau des von Erfolg zu Erfolg eilenden Musikvereins fielen die Schatten des 1. Weltkrieges. Man schrieb den 29. Juni 1914, als der Freiwilligen Feuerwehr Au ihre Fahne geweiht wurde. Die Kapelle Hafner, wie die Kapelle jetzt auch öfters genannt wurde, hatte die Festmusik und marschierte mit der Salzberger Wehr von Obersalzberg nach Au. Beim Abmarsch vom Hotel Türken traf die Kunde von der Ermordung des österreichischen Thronfolgers ein, man sprach vom baldigen Krieg.
Nur noch sieben brauchbare Musiker
Die letzte Trauermusik, welche von der ganzen Kapelle gespielt wurde, war die Überführung des Erbprinzen Luitpold von der königlichen Villa zum Bahnhof. Hafner musste als Erster ins Feld und keiner seiner Musiker ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass fast noch alle geholt wurden, ja im Gegenteil, man glaubte an ein baldiges Kriegsende. Im Schriftführerbuch steht: Nach der Einberufung des 1. Dirigenten Anton Hafner, nahm Josef Gnadl die Zügel fest in die Hand. Er drillte junge Musiker um nach Beendigung des Krieges, die zu Weihnachten erwartet wurde, zu einem Friedensfest gerüstet zu sein. Was zurück blieb, war aber nur noch ein Häuflein alter Musiker, welche die notwendigsten Musikverrichtungen während des Krieges 1914/18 durchführten. Diese bestanden aus Prozessionen, Kriegergottesdiensten und Beerdigungen.
Kriegsende 1918: Im Laufe des Novembers und Dezembers kehrten die Musiker vom Kriege heim. Die Bilanz der Kriegsjahre ergab: zwei Musiker gefallen, ein Musiker verstorben und mehrere veraltet. Der vom Krieg heimgekehrte Musikmeister A. Hafner hatte noch sieben brauchbare Musiker zur Hand. Er fing von neuem an Lehrlinge auszubilden, um seine Kapelle wieder aufbauen zu können. Diesmal lohnte sich seine Aufbauarbeit sehr, denn er hatte das Glück, einen ganz besonders begabten Stamm von Musikern heranbilden zu können. Unter diesen Musikern befanden sich auch zwei Neffen, von denen später einer die Marktkapelle führt und etwas später noch seine beiden Söhne. Alle diese jungen Musiker waren außerordentlich talentiert. Zudem kamen noch Berufsmusiker und ausgeschiedene Militärmusiker hinzu, so dass man in den 30er Jahren über die Marktkapelle wie von einer Berufs- oder Militärmusik sprach.
Anerkennungen aus berufenem Munde
Anerkennungen wurden der Kapelle außer der Presse noch von berufenem Munde zuteil. So zum Beispiel von Frau Emmi Karvasy Borchert, Konzertsängerin, Waldemar Meier, Violinvirtuose, sowie vom 2. Kapellmeister des Reichssymphonieorchesters, Kloß und verschiedenen anderen prominenten Persönlichkeiten. Die Kapelle erfreute sich nicht nur in Berchtesgaden allgemeiner Beliebtheit, sondern wurde auch von auswärts engagiert, so nach Reichenhall, Trostberg, Rosenheim usw. Es versteht sich, dass von den vielen Begebenheiten dieser traditionsreichen Kapelle nur die wichtigsten Daten aufgezeigt werden können.
Im Jahre 1920 wurde laut Gemeinderatsbeschluss des Berchtesgadener Gemeinderates (10. 9. 1920) unter Vorsitz des 1. rechtsk. Bürgermeisters Zeitler dem Musikverein Berchtesgaden der Titel „Berchtesgadener Marktkapelle“ verliehen. 1922 wurde am 18. Januar unser 7. Musikmeister und Chorregent Martin Baumann beerdigt und im selben Jahre am 7. August das Gründungsmitglied Michl Rasp. 1923, das Jahr der Inflation, machte die Marktkapelle reich an wertlosem Geld.
Ein kleines Beispiel: Schützenfest am 5. 8., Verdienst: 1 Million neunhunderttausend Mark.
Prinz Albrecht lernte bei Hafner Trompete blasen
1930: Befreiungsfeier anlässlich der Befreiung des Rheinlandes durch die Besatzungstruppen. Trachtenfest in Rosenheim. 3. September: Feier am Schlossplatz anlässlich der Vermählung des Erbprinzen Albrecht. Der Prinz lernte bei A. Hafner eine Zeit lang Trompete blasen. Dezember: Ständchen im Brochenberglehen anlässlich des 50. Geburtstages von Dirigent Hafner.
1931: Die Tanzmusik wurde hauptsächlich im Fasching mit Klavier und Geigenbesetzung gespielt, wodurch diejenigen Musiker im Nachteil waren, welche nicht mehrere Instrumente bedienten. Der eine oder andere dieser Benachteiligten trat in die Dienste des Faschingsmusikmeisters Maler Mühlberger, welcher die „Kapelle Krach“ dirigierte. Hafner führte im Sommer gratis Standkonzerte durch, um die einheimische Bevölkerung sowie Kurgäste für diese kulturelle Sache zu gewinnen. Man zeigte für diese Konzerte großes Interesse, ja man war begeistert davon.
1932: Die Marktgemeinde befürwortet als erste die Standkonzerte. Die beiden Verkehrsvereine Markt und Land haben die Kosten von vier Standkonzerten übernommen.
Einführung der Standkonzerte erzwungen
1933: Die beiden Verkehrsvereine haben in diesem Jahr 10 Standkonzerte übernommen. Die Standkonzerte steigerten sich; im Jahr 1937 erreichten sie eine Zahl von 37. Hafner selbst schreibt dazu: Die Einführung der Standkonzerte, welche sich bei den Einheimischen sowie Kurgästen großer Beliebtheit erfreuen, musste förmlich erzwungen werden. Erst als A. Hafner Bürgermeister der Gemeinde Au war und somit auch Mitglied des Fremdenverkehrsausschusses, hatte er mehr Einfluss auf diese Angelegenheit. Bürgermeister Brandner (Stockerer) von Salzberg als Vorstand des Landvereins hatte die Sache sehr wohlwollend befürwortet, aber dennoch mussten vorerst einige Standkonzerte gratis gegeben werden, um den Beweis zu liefern, dass die Marktkapelle im Stande ist, solche Konzerte durchführen zu können. Demnach haben also die Standkonzerte 1931 ihren Anfang genommen und wurden an den Sonntagen auf dem Schlossplatz abgehalten.
Wieder bildeten sieben Musiker den Grundstock
1939 Ausbruch des Zweiten Weltkrieges: 19 Kameraden mussten ins Feld. Der Musikerstand sank durch Kriegseinfluss so tief, dass nur mehr ein Quartett bis Ende des Krieges aufgebracht werden konnte und dieses zur Hälfte mit Aushilfe. Was in diesen 10 Jahren die Musikverrichtungen anbetrifft, so bestanden dieselben mit wenigen Ausnahmen aus Beerdigungen und Trauergottesdiensten für gefallene Krieger.
1945 Kriegsende: Das Kriegsende 1945 brachte der Marktkapelle eine traurige Bilanz. Von 19 ins Feld gezogenen Musikern kamen nur noch 13 zurück und von diesen auch wieder ein Teil erst nach Jahren der Kriegsgefangenschaft. Der letzte kehrte 1949 heim. Mehrere dieser heimgekehrten Musiker waren schwerverwundet, so dass der eine oder andere das Musizieren nicht mehr fortsetzen konnte. Einige aktive Musiker starben des natürlichen Todes; so blieb ein Häuflein von ca. sieben Musikern als Grundstock für den Wiederaufbau zurück. Wer hätte es dem damals 64-jährigen Musikmeister verübeln können, dass er 1945 den Taktstock aus der Hand legte. Er übergab ihn seinem Neffen Sebastian Walch, auf das dieser wieder aufbaue, was einst gewesen: eine stolze Marktkapelle.
Sebastian Walch übernahm die Leitung
So beginnt nun in der Geschichte der Marktkapelle wieder ein neuer Abschnitt. Sebastian Walch, der neue, junge Musikmeister, besaß genügend Talent zum Musiker, er hatte Unternehmungsgeist sowie Organisationstalent und erbte von seinem Onkel die Eigenschaft aufzutreten. Noch fehlten aber junge Musiker. Die Jugend war nach dem Zweiten Weltkrieg fast verblutet. Es dauerte daher Jahre, bis geeignete junge Kräfte gefunden und herangebildet werden konnten. Um die Kapelle für größere Musikverrichtungen baldmöglichst einsetzen zu können, gewann Walch Berufsmusiker, welche in der Nachkriegszeit heimatlos und arbeitslos waren.
Das ging aber nicht so ganz einfach, da in der Inflationszeit die Menschen keinen Wert mehr auf das Geldverdienen legten. Zudem hatte der junge Musikmeister noch andere Sorgen. Er war gerade dabei, seine eigene Existenz aufzubauen und konnte sich deshalb nicht im vollen Umfang seiner Kapelle widmen. Worauf die Mitglieder der Marktkapelle 1949 an ihren alten Dirigenten herantraten und ihn ersuchten, die Marktkapelle nochmals bis auf weiteres zu übernehmen. Hafner, dessen Gesundheitszustand wieder zufriedenstellend war, sagte zu und führte die Marktkapelle noch fünf Jahre lang, bis er am 13. März 1954 zum Ehrenmusikmeister ernannt wurde und Sebastian Walch endgültig den Taktstock übergab.
Während der Amtszeit des neuen Musikmeisters vergrößerte sich nicht nur das Arbeitsfeld der Marktkapelle, sondern es mehrten sich auch die Musikverrichtungen. Da die Nachwuchsfrage immer mehr in den Vordergrund trat, mussten Jungmusiker gewonnen und ausgebildet werden. Die einheitliche Kleidung der Kapelle wurde endgültig geregelt. Eine Anzahl von neuen Musikinstrumenten musste auf Kosten der Marktkapelle angeschafft werden. Immer mehr Musiker der Marktkapelle mussten von nun an mehr als zwei Instrumente beherrschen, damit im Notfall vom Dirigenten Umbesetzungen vorgenommen werden konnten. Die Kapelle musste von nun an in der Lage sein, bei Tanzveranstaltungen mit mindestens drei kleinen Kapellen zu gleicher Zeit auftreten zu können, da öfters Termine von solchen Tanzveranstaltungen zusammenfielen.
Arbeitsteilung durch einen Vorstand
Auf Vorschlag von Musikmeister Sebastian Walch wurde 1958 zum ersten Mal in der Geschichte der Marktkapelle separat ein Vorstand gewählt. Die Wahl fiel einstimmig auf den Es-Klarinettisten Anton Brandner, Bürgermeister der Gemeinde Salzberg und Kreisrat. Brandner fungierte nur sechs Jahre als Vorstand und trat am 27. Februar 1964 auf Grund seiner vielen anderen Ehrenämter, zurück.
Bis zur Wahl des nächsten Vorstandes sollten aber 15 Jahre vergehen. 1979 wurde Franz Hafner vom Brochenberglehen, Bassist und Sohn des Altmusikmeisters Anton Hafner (†) neuer Vorstand.
Sebastian Walch tritt zurück
Am 12. November 1981 gab Sebastian Walch im Alter von 74 Jahren seinen Rücktritt bekannt. So endete seine aktive Ära als Musikmeister. Er fing 1920 als dreizehnjähriger „Musiker-Lehrling“ bei der Marktkapelle Berchtesgaden an. Von seinen 61 aktiven Jahren als Marktmusiker war er 31 Jahre 1. Dirigent. Von 1965 bis 1974 war er auch Bezirksdirigent und erhielt 1975 das goldene Ehrenzeichen des Gaumusikverbandes. Walch wurde zum Ehrendirigenten der Marktkapelle ernannt. Er verstarb am 13. März 1988. Mathias Lenz, vulgo „Lärch Hiasei“, Jahrgang 1935, musiziert seit 1951 bei der Marktkapelle als Klarinettist und wurde 1957 zweiter Musikmeister. Schon seit seinem 17. Lebensjahr ist Lenz Organist und Chorleiter in der Kirche in Oberau. Er besitzt ein umfangreiches Wissen von Harmonielehre, Kontrapunkt und musikalischer Formlehre. Dazu verfügt er über das absolute Musikgehör und spielt 6 Instrumente. Aufgrund dieser Voraussetzungen war es wohl keine Frage, dass Mathias Lenz am 12. November 1981 zum ersten Dirigenten gewählt wurde. In Zeiten von zunehmender Freizeitgestaltungsmöglichkeiten der Jugend und das Verlustes guter Musiker aus Altersgründen ist es nicht immer leicht den musikalischen Stand der Kapelle zu halten. Lenz schafft es, durch seine musikalischen Fähigkeiten, seine Energie und nicht zuletzt seinem Humor immer wieder, die Musikanten zu motivieren und zu größeren Leistungen anzuspornen. Mit seiner ausdrucksvollen Direktion ist er in der Lage das musikalisch Bestmöglichste herauszuholen.
Tatkräftig unterstützt wurde Mathias Lenz von seinem Klarinettenkollegen und Freund Hans Hinterseer, der von 1981 bis 1999 das Amt des 2. Dirigenten innehatte.
Endlich ein geeigneter Probenraum
Seit Jahrzehnten fanden die Musikproben der Marktkapelle in der alten Bergwerkskaue des Salzbergwerks statt.
Veraltete Ausstattung, Platznot und vor allem die aufgrund der Raumhöhe schlechten akustischen Verhältnisse waren die Hauptgründe, weshalb die Musikproben der inzwischen 35-köpfigen Blaskapelle dringend einen zeitgemäßen Raum erforderten.
Für ein Jahr wurde deshalb ein freier Kellerraum in der neuen Bergwerkskaue als Übergangslösung in Anspruch genommen.
Die Vorstandschaft der „Marktmusi“ unternahm nun alles, um einen neuen größeren Probenraum zu bekommen. Die Marktgemeinde, das Landratsamt, der Musikbund von Ober- und Niederbayern wurden informiert und sagten baldige Hilfe zu.
Durch Unterstützung des 1. Bürgermeisters Rudolf Schaupp konnte die Marktkapelle 1997 einen geeigneten Kellerraum im Neubau der Bacheifeldschule erhalten. Mit dem Ausbau wurde sofort begonnen. Am 4. März 1997 erfolgte dann der Umzug vom Salzbergwerk in die Bacheifeldschule. Durch die finanzielle Unterstützung der Marktgemeinde Berchtesgaden, der Landesstiftung, der Sparkassenstiftung, des Kreisjugendamts, zahlreicher Sachspenden, finanzielle Eigenmittel und ca. 570 Stunden Eigenleistung der Musikanten ging der Ausbau im November 1999 seiner Vollendung entgegen.
Am 22. November 1999 wurde die Einweihung des lang ersehnten Probenraums durch Pfarrer Peter Demmelmair mit geladenen Gästen und allen Musikkameraden gefeiert.
Somit hat die Marktkapelle zu ihrem 175jährigen Gründungsjahr eine wirkliche „Herberge“ erhalten, in der das Musizieren wieder Spaß macht.
Die Marktkapelle als „Knappenkapelle“
Für die Marktkapelle war es immer schon eine große Ehre, mit den Bergknappen, beziehungsweise im Auftrag der Bruderlade des Salzbergwerks in deren Uniform als „Knappenkapelle“ mit dem Trommlerzug des Salzbergwerks aufzutreten. Zahlreiche Bilddokumente belegen diese enge Verbindung seit jeher.
Nachdem der Trommlerzug des Salzbergwerks immer öfter auch bei anderen Marschmusikanlässen der Marktkapelle zur Verfügung stand, erfolgte in der Musikversammlung am 21. März 1998 die formelle Aufnahme der Trommler als Mitglieder der Marktkapelle.
Tambourmajor nach dem 2. Weltkrieg war nach Willi Kempf der Bergmann Josef Hallinger von 1954 bis 1985. Seit 1985 übernimmt sein Sohn Paul Hallinger, ebenfalls im Salzbergwerk Berchtesgaden beschäftigt, diese Funktion. Der Tambourmajor ist seit 1998 zugleich der Stabführer bei der Marschmusik der Marktkapelle.
Start der neuen Vorstandschaft und Musikmeisters
Im Frühjahr 2002 hatten wir Neuwahlen und unser damaliger Musikmeister Mathias Lenz wollte aus Altersgründen den Dirigentenstab an einen jüngeren Musikanten übergeben. Es war auch schon einer in den Startlöchern, denn Erhard Moldan seines Zeichens erster Trompeter hatte beim Musikbund für Ober- und Niederbayern einen Dirigentenkurs belegt und mit Erfolg abgeschlossen.
Auch fand auf Vorstandsebene eine Veränderung statt, denn Hans Angerer (Vorstand seit 1994) wurde von Michael Kunz abgelöst. Mit einer gut zusammenarbeitenden Vorstandschaft kann man die Herausforderungen der Zukunft meistern.
So wurde im Herbst 2004 begonnen unseren Probenraum um fast das Doppelte zu erweitern. Im März des darauffolgenden Jahres konnten wir unsere neuen Räume beziehen in denen wir nun unsere gesamten Noten aufbewahren. Auch sind jetzt zwei Satzproben von verschiedenen Registern möglich und wir haben Platz für ein gemütliches Beisammensein.